
- 26. November 2020
Nachhaltigkeit von und durch Satelliten-Infrastrukturen
Die moderne Gesellschaft und Industrie nachhaltiger zu gestalten, Emissionen zu reduzieren und den Klimawandel aufzuhalten ist zu einem Hauptziel verschiedenster weltweiter Organisationen und Regierungsverbände geworden. Mit dem „Grünen Deal“ setzt sich beispielsweise die Europäische Union zum Ziel bis 2050 klimaneutral zu werden[1].
Weltraum-Infrastrukturen spielen im Kontext des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit eine große Rolle. Denn Satellitenkonstellationen und Weltrauminfrastrukturen sind heutzutage eng verknüpft mit vielen Bereichen unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Die drei wichtigsten Anwendungsgebiete von Satelliten-Infrastrukturen im Weltraum sind dabei Navigationssatelliten, Kommunikationssatelliten und Erdbeobachtungssatelliten. Neben diesen Bereichen gibt es zusätzlich viele weitere internationale Missionen, die alle zusammen ein hochkomplexes Infrastruktur-Netz im Orbit bilden und dadurch wiederum intelligente und nachhaltige Infrastrukturen auf der Erde ermöglichen.
Beispielsweise liefern Satelliten wertvolle Daten, die zur Erforschung, Dokumentation und Bekämpfung des weltweiten Klimawandels unentbehrlich sind. Einer der jüngsten Satelliten ist Sentinel-6 „Michael Freilich“ des europäischen Copernicus Programms, der am 21. November 2020 gestartet wurde um die Meeresoberfläche zentimetergenau zu vermessen. Zusammen mit fünf bestehenden Satelliten (wie etwa POSEIDON-4) soll Sentinel-6 dazu beitragen den Anstieg des Meeresspiegels weltweit noch genauer zu bestimmen und dadurch auch die zukünftige Entwicklung vorhersagen zu können. Im Jahr 2024 soll der deutsch-französische Satellit MERLIN in den Orbit gebracht werden. Mit Hilfe seines LIDAR-Instruments (Light Detecting and Ranging) soll der Kleinsatellit wertvolle Daten zum globalen Methanausstoß liefern. Methan spielt eine große Rolle bei der Erderwärmung. Gleichzeitig sind die Gründe für den starken Anstieg an Methan in der Atmosphäre, der in den letzten Jahren gemessen wurde, noch nicht ausreichend erforscht. Mit dieser neuen Mission erhoffen sich Forscher weltweit essenzielle Einblicke.
Auch die Weltraumindustrie selbst muss nachhaltiger und ressourcenschonender werden, um so ihren Beitrag zu den gesetzten Zielen des „EU Green Deals“ zu leisten.
Die Produktion und Inbetriebnahme von Satelliten ist vergleichsweise aufwändig, langwierig und ressourcenintensiv. Zudem wird verfügbarer Raum im Orbit immer knapper. Somit sind eine reibungslose Funktionalität und lange Lebensdauer von großer Bedeutung. Nicht nur die steigende Anzahl an Objekten im Orbit und die damit verbundene Knappheit von nutzbaren Umlaufbahnen wird zunehmend zur Herausforderung. Satelliteninfrastrukturen sind auch starken Einflüssen durch Weltraumwetter, drohenden Kollisionen mit Weltraumschrott und technischen Störungen (beispielswiese durch Alterung und Abnutzung) ausgesetzt. Hinzu kommen gezielte Angriffe wie Jamming, Spoofing und andere Formen von Cyberattacken, deren Ziel es ist, die Funktionalität der Satelliten zu beeinträchtigen.
Wenn Satelliten temporäre Fehlfunktionen aufweisen oder ausfallen, weil sie von technischen Störungen, Weltraumwetter-Einflüssen oder auch Cyberattacken betroffen sind, bedeutet dies nicht nur wirtschaftliche Verluste für involvierte Organisationen. Auch die Sicherheit des betroffenen Objekts sowie weiterer Satelliten im Orbit ist gefährdet. Darüber hinaus können die fehlenden Daten weitere Infrastrukturen und Unternehmen auf der Erde beeinträchtigen und somit negativen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft haben.
Dauerhafte Störungen bis hin zum kompletten Verlust eines Satelliten stellen eine noch größere Herausforderung dar. Ist ein Satellit nicht mehr nutzbar und muss ersetzt werden, belastet dies die Umwelt durch den Verbrauch von Ressourcen bei der Produktion und vor allem der Einbringung in die Umlaufbahn neuer Satelliten. Zudem blockieren funktionslose Satelliten die Umlaufbahnen. Ein kontrollierter „Absturz“ durch Verglühen in der Erdatmosphäre oder die Verschiebung in nicht genutzte Orbits ist aufwändig und nicht immer möglich.
Es ist somit von besonderer Wichtigkeit, dass bestehende und neue Satelliten zunehmend sicher, effizient und langlebig genutzt und produziert werden. Dies bezieht sich sowohl auf technische Aspekte wie Materialien, Verarbeitung und Steuerung als auch auf den Betrieb und die Nutzung der Software- und Daten-Ebene.
Visionäre bereiten den Weg für nachhaltige Satellitensysteme
Um das Ziel einer nachhaltigen Raumfahrt zu erreichen und gleichzeitig durch Satellitendienste die Nachhaltigkeit auf der Erde voranzutreiben, braucht es neue Innovationen und Lösungsansätze. „Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass sich nicht mehr die Frage stellt, ob wir uns für eine bessere und nachhaltige Zukunft engagieren sollten, sondern darum geht, wie dies geschieht… Und aus diesem Grund sollten wir junge Unternehmer sehr aufmerksam beobachten, die versuchen, mit ihren Lösungen einen Beitrag für eine nachhaltigere Gesellschaft, Wirtschaft und Ökologie zu leisten“, so Dr. Heba Aguib auf der INNOspace Masters Konferenz im Oktober 2020. Die Möglichkeiten Weltrauminfrastrukturen nachhaltiger zu gestalten, sind dabei vielfältig und beziehen insbesondere andere, weltraum-ferne Branchen in neuartige Ansätze mit ein. Immer mehr Visionäre und Forschungsteams arbeiten an Lösungen für künftige Herausforderungen im Orbit und auf der Erde. Viele Beispiele zeigen bereits, wie innovative Lösungen im Satellitenbau integriert werden und bereits bestehende Satelliten-Konstellationen nachhaltiger und effizienter betrieben werden können.
Bei neuen Missionen wird vermehrt auf Kleinsatelliten (CubeSats) mit einer Kantenlänge von nur 10 cm gesetzt, mit stark spezialisierten Funktions- und Einsatzmöglichkeiten. Das deutsche Start-up DeploybalesCubed verbindet die Vorteile kleiner und großer Satelliten, in dem es Strukturen entwickelt, die sehr komprimiert transportiert werden und sich erst im Weltraum zu ihrer eigentlichen Größe entfalten. Dies führt unter anderem zu einer geringeren Anzahl an nötigen Raketenstarts, wodurch langfristig Emissionen eingespart werden können. Für diesen innovativen Lösungsansatz wurde das Team zum Gewinner der INNOspace Masters ESA BIC Challenge 2019 gekürt.
Auch Satelliten, die bereits im Einsatz sind, können von Innovationen profitieren. OKAPI:Orbits bietet mit seiner Software Space Surveillance und Tracking (SST) eine Lösung, um das steigende Risiko von Kollisionen und Störungen im Orbit zu reduzieren. Im Jahr 2019 belegte das Start-up damit den zweiten Platz in der INNOspace Masters ESA BIC Challenge. OKAPI:Orbits wurde vom ESA Business Incubation Programm in Hessen in der Weiterentwicklung dieses Ansatzes gefördert und hat im Oktober 2020 sein erstes Kollisionsvermeidungs-Produkt für Satellitenbetreiber auf den Markt gebracht. Mit dieser KI-gestützten Softwarelösung trägt das junge Unternehmen aus Deutschland maßgeblich zur effizienteren und nachhaltigeren Weltraumnutzung bei, indem bereits bestehende Objekte vor Beschädigung geschützt werden.
Neben innovativen Ansätzen, die die Raumfahrt selbst nachhaltiger gestalten, bietet der Einsatz von Satellitendiensten auch großes Potential für nachhaltige Lösungen für Infrastrukturen auf der Erde. So nutzt das Frühwarnsystem ERMES beispielsweise Satellitendaten, um Hangstabilität und Bodenabsenkungen entlang von Straßen und Schienennetzen zu überwachen. Somit werden Instandhaltung und Wartungsmaßnahmen optimiert und die Lebensdauer der Infrastrukturen verbessert. Das beugt nicht nur Unfällen, Verspätungen oder aufwändigen Reparaturarbeiten vor, sondern fördert auch die Nachhaltigkeit bestehender Infrastrukturen. Dieser Lösungsansatz wurde beim INNOspace Masters 2019/2020 mit dem dritten Platz der DB Netz AG Challenge prämiert.
INNOspace Masters 2020/2021 sucht Innovationen für nachhaltige Infrastrukturen – im Weltraum und auf der Erde
Infrastrukturen im All und auf der Erde sind stark vernetzt und für einen funktionierenden Ablauf des digitalen Alltags auf der Erde sind Satellitendienste unabdingbar. Mit zunehmenden Herausforderungen durch den Klimawandel sind zum einen raumfahrtgestützte Innovationen für terrestrische Infrastrukturen gefragt, zum anderen müssen auch in der Raumfahrt Ressourcen gespart und die Effizienz und Sicherheit von Satelliten gesteigert werden. Um dies zu erreichen existieren zahlreiche Initiativen, wie beispielsweise Innovationswettbewerbe, in denen Start-ups, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten aufgerufen werden neue Konzepte und Ideen zu entwickeln. Einer dieser Wettbewerbe ist der INNOspace Masters, welcher seit 2015 neue Lösungsansätze prämiert und fördert, die den Technologie- und Wissenstransfer zwischen der Raumfahrt und anderen Branchen vorantreiben.
In der neuen Runde 2020/2021 wird dabei ein besonderer Fokus auf nachhaltige Infrastrukturen gelegt – sowohl im All als auch auf der Erde. Ausgerichtet wird der Wettbewerb vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Darüber hinaus sind führende Player aus der Wirtschaft Partner des Wettbewerbs: Airbus, OHB und DB Netz AG sowie auch die deutschen ESA Business Incubation Centres. Jeder Partner richtet eine eigene Challenge aus und bietet den jeweils drei Gewinnern passgenaue Preise und Kooperationsmöglichkeiten, um die eigene Projektidee realisieren zu können. Insgesamt vergibt der Wettbewerb jedes Jahr Preis- und Fördergelder in Höhe von 1,3 Mio. Euro.
Der Wettbewerb ist offen für Innovationen und Ideen jedes Entwicklungsstandes. Von angewandter Forschung bis zum fertigen Produkt oder Service, bieten die unterschiedlichen Partner die passende Challenge und Fördermaßnahmen für die Gewinner. Interessierte aus Forschung und Industrie können noch bis 5. Februar 2021 bewerben.
[1] https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de